Was Hänschen verlernt

Zwölf Filme über Taktiken des Ausmistens

G
Film
O
Graz

28/09 – 02/10


Schubertkino

 

Alle Vorstellungen werden von einem moderierten Filmgespräch begleitet, zum Teil unter Anwesenheit der Regisseure. Für die Vor- und Nachbereitung im Unterricht stehen medienpädagogische Materialien zur Verfügung.

 

Begrenzte Teilnehmerzahl
Information und Anmeldung:
t +43 664 24 500 90
education@steirischerherbst.at
Die Teilnahme ist kostenlos.

In Zusammenarbeit mit der Duisburger Institution doxs! findet im Rahmen des steirischen herbst 2015 bereits zum neunten Mal das Dokumentarfilmprogramm für Kinder und Jugendliche statt. Gezeigt werden Filme, die eine Bildsprache und Ästhetik verwenden, die ein junges Publikum ansprechen und gleichzeitig Themen verhandeln, die in Bezug auf das Leitmotiv des Festivals „Back to the Future“ stehen. Dabei ist das Ziel, unterschiedliche dokumentarische Filmkulturen und Erzählstrategien im Bereich des zeitgenössischen Films zu vermitteln und Kompetenzen für den reflektierten und selbstbestimmten Umgang mit dem Medium Film zu erarbeiten.
Lernen hat seit jeher einen guten Ruf. Es gilt: Wer sich bildet und Erkenntnisse dazugewinnt, der wird klüger und reifer. Die Idee des Wachstums schmiert nicht nur den Motor der Ökonomie, sondern gilt auch als Mantra für die Selbstoptimierung des Individuums. Wissen bewahren und dazugewinnen, am besten lebenslang, gilt als Wert an sich.
Das diesjährige Filmprogramm dreht den Spieß um und stellt den Fortschrittsglauben unserer Wissensgesellschaft in Frage: Was wird sichtbar, wenn wir nicht das Lernen, sondern das Verlernen in den Fokus nehmen? Die postkoloniale Theoretikerin Gayatri Spivak etwa fordert auf, „die mächtigen Unterscheidungen und immer schon gewussten Machtverhältnisse aktiv zu verlernen“. So kann das Vergessen eine nützliche Taktik werden, um sich vermeintlicher Gewissheiten und gesellschaftlicher Altlasten zu entledigen. Doch wer entscheidet, welche Werte Bestand haben sollen oder nach dem Wechsel der Blickrichtung als obsolet gelten dürfen?
Die Protagonisten der Filme blicken zwiespältig auf das von Eltern und Gesellschaft hinterlassene Erbe an Traditionen, Zielen und Möglichkeiten – Umweltprobleme, Erwartungsdruck oder schwierige Lebensbedingungen zwingen junge Menschen dazu, sich gegensätzlich zu früheren Generationen zu positionieren. Das Verlassen der Heimat, das Infragestellen familiärer Haltungen und das Unverständnis gegenüber dem Umgang mit ökologischen Ressourcen fordern Heranwachsende früh dazu heraus, neue Perspektiven zu entwickeln. Wo Anderes Raum braucht, wird es für Bewährtes eng. Hier kommt das Verlernen ins Spiel – als Plädoyer für das bewusste Ausschlagen des Erbes.
Was Hänschen verlernt, wird Hans bereits hinter sich gelassen haben. Es ist Zeit, auszumisten.


Mo 28/09, 09.00 – 10.30
ab 12 Jahren
Anschließend Filmgespräch mit Bernd Sahling
Moderation Roman Fasching

hin&weg
Regie: Bernd Sahling (DE), 2013, 26’
Am Nordpolarmeer, am nördlichsten Punkt Norwegens, wo der Himmel und die See die gleiche Farbe haben, liegt das Dorf Gjesvær. Die Winter sind lang und dunkel, selbst im Mai liegt noch Schnee und es herrscht Eiseskälte. Mit dem Boot stechen Emma und ihr Vater in die glasklare See, beim Gesang der Möwen zerlegen sie Fische. Wie lebt es sich dort sonst so, wenn man 14 Jahre ist?

Delete
Regie: Janetta Ubbels (NL), 2012, 15’
Es regnet. Jurre und sein Vater warten auf den Bus, der sie zur Fähre bringt. Am Wochenende will Jurre auf der Insel Vlieland Rad fahren und Fußball spielen – was man eben mit seinem Vater so macht. Trotzdem ist dieses Mal alles anders. Jurres Vater hat Alzheimer. Am Strand aber soll es so sein wie früher: nur Vater, Sohn und das Meer.


Di 29/09, 09.00 – 10.30
ab 14 Jahren

Anschließend Filmgespräch mit Viktor Nordenskiöld und Karin Fisslthaler
Moderation Roman Fasching

Grandpère – Großvater
Regie: Kathrin Hürlimann (CH), 2013, 6’
Der Großvater der Regisseurin setzte in den 1960er-Jahren seinen Arbeitsplatz – eine Telefonzentrale – in Brand. Vier Jahre musste er dafür ins Gefängnis. Wie konnte er, ein friedliebender und höflicher Mann, so etwas tun? Seine Tagebücher und die Zeitungen von damals geben Aufschluss über die Gründe für die Tat.

Out of this world – Nicht von dieser Welt
Regie: Viktor Nordenskiöld (SE), 2014, 10’
Dunkel und voll mit giftigen Dämpfen sind die Tanks, in die der 12-jährige Rizwan jeden Tag kriecht, um sie zu reinigen. Am Anfang hatte er Angst, doch jetzt geht es. Für den gefährlichen Job in den Tanklastern nahe des zweitgrößten Öl-Depots in Pakistan bekommt er einen Euro am Tag. Rizwan tut es für seine Familie. Vor allem für seine kleine Schwester, die er über alles liebt.

TOTH – Top of the hill
Regie: Dylan Drummond und Blair Scott (GB), 2007, 13’
„Road to ruin” – so beschreibt Steve Martin das Leben in Top of the Hill, das
in der berüchtigten Hilltown Area der schottischen Stadt Dundee liegt. Als ehemaliges Gründungsmitglied der TOTH Gang kennt er den Teufelskreis von Gewalt, Drogen und Alkohol aus eigener Erfahrung. Über dem eigenen, von Fehlschlägen und Abhängigkeit geprägten Leben steht der Wunsch, seinen Kindern eine bessere Zukunft zu bieten. Doch sein 14-jähriger Sohn Stephen scheint in seine Fußstapfen zu treten.

Goodbye
Regie: Karin Fisslthaler (AT), 2013, 3’
Goodbye, Lebewohl – Gesten des Abschieds wandeln sich plötzlich zu Gesten des Wiedersehens. Trennungen und Begegnungen in einer filmischen Endlosschleife. Wir bleiben in Berührung!


Mi 30/09, 09.00 – 10.30
ab 16 Jahren

Anschließend Filmgespräch mit Emilie Blichtfeldt, Saskia Gubbels und Karin Fisslthaler
Moderation Petra Erdmann und Teilnehmende des Workshops „Die Kunst der Moderation“

How do you like my hair? – Wie gefallen dir meine Haare?
Regie: Emilie Blichtfeldt (NO), 2013, 10’
Schön zu sein heißt für Frauen heute oft: Kein Gramm Fett zu viel und bloß keine Körperbehaarung. Emilie entspricht nicht diesem Ideal. Sie ist anders schön. Und sie hat eine Vorliebe für etwas, das ebenfalls nicht dem gängigen Geschmack entspricht: Männer mit großen Nasen. Im Film erzählt Emilie von einer unerwarteten Begegnung. In den Hauptrollen: Ein Hotelzimmer, ein Musiker, eine große Nase. Und die Frage: „How do you like my hair?”

Als ik in de spiegel kijk – Wenn ich in den Spiegel schau
Regie: Saskia Gubbels (NL), 2012, 18’
Narben erzählen immer eine Geschichte. Dilans Narben erzählen von einem Feuer und davon, wie schnell sich alles ändern kann. Wenn die 15-Jährige heute in den Spiegel sieht, erkennt sie sich nicht wieder. Alles ist anders. Sie ist wütend, will aber nicht klein beigeben. Dilan hat das Herz einer Gewinnerin.

Goodbye
Regie: Karin Fisslthaler (AT), 2013, 3’
Goodbye, Lebewohl – Gesten des Abschieds wandeln sich plötzlich zu Gesten des Wiedersehens. Trennungen und Begegnungen in einer filmischen Endlosschleife. Wir bleiben in Berührung!


Do 01/10, 09.00 – 10.30
ab 10 Jahren

Moderation Gudrun Jöller

Chikara – The Sumo Wrestler’s Son – Chikara – Der Sohn des Sumo-Ringers
Regie: Simon Lereng Wilmont (DK), 2013, 32’
Ein echter Sumo-Ringer gibt nie auf! Doch manchmal tut Chikara alles weh. Der Zehnjährige will in die Fußstapfen seines berühmten Vaters treten und trainiert hart dafür. Bald finden die nationalen Meisterschaften in Tokio statt. Sein Vater zeigt ihm Tricks und fordert: „Du brauchst mehr Kampfgeist!” Aber Chikara ist keine Maschine und möchte ab und zu auch mal zum Angeln. Kann er die Erwartungen seines Vaters erfüllen?

Nieuw – Alles neu
Regie: Eefje Blankevoort (NL), 2014, 19’
Tanans (8) dachte immer: Die Weißen malen sich weiß an. Jetzt ist er mitten unter ihnen und wohnt zum ersten Mal in einem richtigen Haus. Tanans Weg führte von einem Flüchtlingslager in Uganda nach Holland. Mit großen Augen erkundet er seine neue Heimat und hört, wie die Menschen sprechen. Ihre Sprache klingt eigenartig. Wird das Leben nun endlich gut? Und was heißt auf Niederländisch: „Meine Eltern sind gestorben?”


Fr 02/10, 09.00 – 10.30
ab 8 Jahren

Moderation Gudrun Jöller

Du velger selv – Du hast die Wahl
Regie: Kajsa Naess (NO), 2013, 15’
Fünf ganz unterschiedliche Kinder mit einer Gemeinsamkeit – ihre Väter sitzen im Gefängnis. Die Kinder erzählen davon, wie es ist, ohne Papa groß zu werden. Von ihrer Wut, allein gelassen worden zu sein; von ihrer Scham vor den Fragen der Freunde; von ihrer Erinnerung an glückliche Zeiten und von der Liebe zu ihren Vätern, die sie trotz allem empfinden.

Het meisje en de boom – Das Mädchen und der Baum
Regie: Marleen van der Werft (NL), 2013, 15’
Hoch oben in einer großen alten Eiche hat man seine Ruhe und ist trotzdem nicht allein. Denn so ein Baum ist ein Hotel für Tiere, wo viele Vögel und Insekten wohnen. Zwischen den Blättern und Zweigen hat Filine, 11 Jahre, ihren Lieblingsplatz gefunden. Doch ringsum malen Waldarbeiter Kreuze auf jene Bäume, die gefällt werden sollen. Ist die Eiche auch bald dran? Filine will ihren Rückzugsort retten. Sie weiß auch schon wie.

Kuratiert von Gudrun Sommer
In Kooperation mit doxs! / Duisburger Filmwoche