Rimini Protokoll nimmt die Spur von Adolf Hitlers Hetzschrift auf und versucht zu ergründen, worauf der Mythos von „Mein Kampf“ eigentlich beruht.
In deutscher Sprache
Talk nach der Vorstellung am Fr 02/10
„Mein Kampf“ von Adolf Hitler wurde 1925/26 erstmals veröffentlicht und bis Kriegsende in einer Millionenauflage vertrieben. Seit Jahrzehnten haftet der Propagandaschrift die Aura des „verbotenen Buches“ an. Dadurch übt sie bis heute einen gewissen Reiz aus. Ende 2015 laufen die vom Freistaat Bayern verwalteten Urheberrechte aus. Die Debatte, ob und in welcher Form das Buch neu veröffentlicht werden darf, hat längst begonnen – obwohl es in Österreich antiquarisch erhältlich und im Internet verfügbar ist, es zudem in vielen Ländern einen stabilen Absatzmarkt hat.
Was wird durch das symbolische Verbot verhindert? Und worauf gründet eigentlich der Mythos von „Mein Kampf“? Was steht darin überhaupt geschrieben? Geht Gefahr davon aus? In ihrer neuen Produktion suchen die Theatermacher Helgard Haug und Daniel Wetzel nach Antworten auf diese Fragen – in universitären Giftschränken, auf heimischen Dachböden oder ausländischen Flohmärkten haben sie die Spur eines Buches aufgenommen, das seine geschichtspolitische Brisanz bis heute nicht verloren hat.
Haug und Wetzel arbeiten unter dem Label Rimini Protokoll in unterschiedlichen Konstellationen und zählen zu den renommiertesten Theatermachern im deutschsprachigen Raum. Ihre Arbeiten basieren auf umfassenden Recherchen und der Probenarbeit mit Experten, die auch in diesem Projekt auf der Bühne stehen. 2011 wurde das Gesamtwerk von Rimini Protokoll mit dem Silbernen Löwen der Theaterbiennale Venedig ausgezeichnet.
Konzept, Regie und Text Helgard Haug & Daniel Wetzel
Mit Sibylla Flügge, Anna Gilsbach, Matthias Hageböck, Alon Kraus, Christian Spremberg, Volkan T error
Auf Video Joachim Hainzl, Othmar Plöckinger, Moshe Zimmermann
Dramaturgie und Recherche Sebastian Brünger
Bühne und Video Marc Jungreithmeier, Grit Schuster
Musik Volkan T error
Technische Koordination und Licht Andreas Mihan
Company Management Heidrun Schlegel
Produktionsleitung Jenny Flügge
Regieassistenz Meret Kiderlen
Bühnenbildassistenz Cornelius Oswald
Tonassistenz und Sounds Peter Breitenbach
Produktionshospitanz Linn Günther
Übertitel KITA – Kleine Internationale Theater Agentur und Brian Bell
Produktion Kunstfest Weimar, Deutsches Nationaltheater Weimar & Rimini Apparat
Koproduktion steirischer herbst, Münchner Kammerspiele, Nationaltheater Mannheim, Gessnerallee Zürich & HAU Hebbel am Ufer
Mit Unterstützung durch das Düsseldorfer Schauspielhaus
Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes & Regierender Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten
In Zusammenarbeit mit Schauspielhaus Graz
Rimini Protokoll / Helgard Haug / Daniel Wetzel (DE)
Seit dem Jahr 2000 arbeiten Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel, die sich während ihrer Studien der Theaterwissenschaft an der Universität Gießen kennenlernten, als Autoren-Regie-Team zusammen. 2002 gaben die drei ihrem Kollektiv den Namen Rimini Protokoll. Obwohl die in Berlin beheimatete Gruppe sich nicht nur dem Theater sondern auch dem Radio- und Ausstellungswesen widmet, verfolgt ihre Arbeit stets das selbe Ziel: das Aufzeigen ungewöhnlicher Ansichtsweisen der Wirklichkeit, ohne jedoch die Realität aus den Augen zu verlieren. Das deutsch-schweizerische Kollektiv und seine europaweit aufgeführten Stücke wurden mehrfach ausgezeichnet, so unter anderem mit dem Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ (Sonderpreis, 2007) und dem „Silbernen Löwen“ der 41. Theaterbiennale Venedig (2011). Das von Kaegi konzipierte Stück „Radio Muezzin“ wurde 2009 auch im Rahmen des steirischen herbst aufgeführt. Darüber hinaus war der gebürtige Schweizer im selben Jahr auch Mitgestalter der „Randnotizen“. Die anderen zwei Drittel des Rimini Protokoll – Haug und Wetzel – werden 2015 Gäste des steirischen herbst sein.
Der Abend ist lehrreich, weil faktenreich und unaufgeregt. So kann man ein Buch entzaubern.
Der Standard, 03/10/2015
Der von Rimini Protokoll gestaltete Theaterabend ist informativ, ohne neunmalklug zu sein, amüsant, ohne die Grenzen zur Flapsigkeit zu überschreiten und wichtig, weil er das Schweigen über ein unangenehmes Thema durchbricht. A Ende werden Buchpassagen auf ihre Aktualität geprüft: Einige Begriffe und Floskeln von einst sich längst wieder in den Sprachgebrauch rechtspopulistischer Parteien eingesickert. Erschreckend.
Salzburger Nachrichten, 03/10/2015
Was allzu leicht akademisch trocken oder peinlich sein könnte, hat Spannung, die über zwei Stunden anhält. Und Staunen, Kopfschütteln aber auch Schmunzeln provoziert.
Kurier, 03/10/2015
Der gemütlich und sympathisch wirkende Volkan Terror erzählt das im selben lakonischen Tonfall, mit dem er referiert, dass "Mein Kampf' in arabischen Ländern sehr wohl gedruckt wird und in der Türkei sogar auf Bestsellerlisten stehe. Da schaudert's einen, und man überlegt, ob dieses Gift nicht doch noch einmal wirksam sein könne.
Die Presse, 03/10/2015
Hitlers "Mein Kampf" auf die Bühne des Schauspielhauses zu bringen, ist nicht ganz risikofrei. Helgard Hauk und Daniel Wetze von Rimini Protokoll umschiffen die Klippen aber gekonnt und zeigen als "Herbst Koproduktion mit sechs Laien eine unaufgeregte, persönliche, kritische und humorvolle Entmystifizierung.
Kronen Zeitung, 03/10/2015